30.000 Briefe ?

Persönliche Briefe an Freunde, Geliebte, Bekannte

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Mona
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30.000 Briefe ?

Beitrag von Mona »

Hallo,

weiss jemand, wieviele Briefe Rilke in seinem Leben geschrieben hat ? Ich las gerade etwas von 30.000 Rilke-Briefen :? ?! Wann hätte er dann noch Zeit gehabt, Gedichte zu schreiben :roll: ?

Mona :lol:
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gliwi
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Beitrag von gliwi »

Macht bei 30 aktiven Jahren 1000 Briefe pro Jahr, macht ungefähr 3 Briefe pro Tag. Dafür hat er nicht: geputzt, gewaschen, gekocht, eingekauft, ferngesehen, Internet gesurft, Garten umgegraben, Auto repariert, Kind gehütet, Abfall sortiert, Fußball gespielt oder angeschaut usw. usw. - in der Zeit schreibst du locker drei Briefe! :wink:
Gruß
gliwi
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lilaloufan
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Rilke und Frederick

Beitrag von lilaloufan »

Liebe gliwi, mir gefällt, dass du Rilke kräftig entmythologisierst: Weg mit den Nimben – freier Blick auf den gewöhnlichen Schreiber!

Mir ist aber schon einigemale aufgefallen, dass du dich zu Rilke in manchen Augenblicken nicht nur auf Augenhöhe stellst, sondern ihn reduzierst auf einen versonnenen Weltflüchtling, wenn nicht gar auf einen aufgabenscheuen Drückeberger, der wie zum Alibi wenigstens ein paar poetische Ergüsse abliefert, wenn man ihn schon dermaßen schont, verwöhnt, aller Alltagslasten entledigt. Vielleicht – schreib’s dann! – verstehe ich dein Anliegen falsch: Willst du hier sagen: Die Made im Speck kann leicht Kultur schaffen? Nein, das war polemisch; neuer Anlauf: Wer nur lange genug relaxt, wird auch Gedichte, Briefe, Gedanken hervorbringen?

Ich war einmal ein paar Monate arbeitslos: Meinst du, da war ich in irgendeiner Weise produktiver als sonst? Nein – und man könnte doch meinen, da hatte ich den Kopf frei. Auch heute, Sonntag, gut, ich habe 21 e-Mails geschrieben, aber war auch nur eine von Format darunter? Obwohl ich doch von deiner Liste von Alltagsanforderungen das Wenigste heute um die Ohren hatte.

Du wirst leicht zustimmen: Sich um den alltäglichen Kleinkram („das bisschen Haushalt…“) nicht kümmern zu müssen ist noch kein Agens für künstlerische Vollmacht – nicht einmal eine Triebfeder: Millionen solcherweise Befreite gammeln im Wohlleben dahin. In umgekehrter Richtung gilt die Beziehung zwischen Muße und künstlerischer Schaffenskraft durchaus – wenn du’s so meinst, stimme ich dir unbedingt zu: Wer die Muße nicht pflegt, wird künstlerisch entweder verkümmern oder billige Masse auf den Literaturmarkt schütten, dies dann nicht zum Nachteil der Verkaufsziffern…

In einem Brief vom 2. Dezember 1922 (an Gräfin M.) schreibt Rilke, eine ihm „nahe Freundin“ habe „sich sogar geopfert, mir die Einrichtung und Bewirtschaftung meiner Zuflucht [Rilkes Manoir in Muzot] zu erleichtern und quasi in Gang zu setzen -, sie hat Wunder geleistet und hart gearbeitet: denn zu Allem kam die Calamität hinzu, dass um keinen Preis eine Bedienung zu bekommen war“, und dann ruft er aus: „Dieser zweite Mensch, ohne den man [sic!] nicht auskommt -: welches Problem! (…) Hätt’ ich die Kraft, mich besser zu isolieren, so würd’ ich ja immer die Hülfe eines gleichgestellten, beistehenden Menschen jedem Dienstverhältnisse vorziehen (das doch immer eine zweideutige Sache ist in den heutigen Verhältnissen und gewissermaßen eine Ausrede: seit nämlich in den Menschen, durch soziale Aufklärung, der Instinkt und die Unschuld unterdrückt worden ist, dass «Dienen» eine ebenso blühende und fruchtende Lebensform sei wie irgendeine andere Anwendung, wenn sie nur aus lebendigem Gemüt hervorgeht). Aber jede ebenbürtige, auf Hülfe gestellt, menschliche oder freundschaftliche Beziehung müsste mir, so wie ich einmal bin, einen Grad von Umgang zumuten, der mir schon gleich wieder zu unabsehlichen Ausgaben des Gemüts verleitend wäre und zu einer Rivalität gegen die Arbeit führen würde, fast unvermeidlich. Vielleicht ist es nur in diesen Jahren, wo mir so viel Arbeit und Besinnung nachzuholen bleibt, so gefährlich für mich, aber mir wird immer deutlicher, wie ich, wahrhaftig, zwischen Umgang und Arbeit mich zu entscheiden habe, als ob ich tatsächlich nur noch Eines zu geben hätte, das entweder unmittelbar an den Nächsten sich mitteilt, oder aber im Tresor der künstlerischen Gestaltung dauernder und gewissermaßen zu allgemeinerem Gebrauch aufbewahrt bleibt. Andere künstlerisch arbeitende Menschen haben (so scheint es wenigstens) eine Menge Vorräte für den nahen und nächsten Verkehr, ja, weit entfernt, dass dieser an ihnen zehre, vermehren sie mittels seiner sogar den Besitzstand und die innere Spannung, die dann auf der anderen Seite ihrer künstlerischen Leistung zugute kommen. Bei mir ist das nie so gewesen, - jetzt aber spaltet es sich immer mehr zum Kreuzweg auseinander, als ob nur noch ein Einziges in mir wäre, das entweder so oder so, nach entschlossener Entscheidung, mitzuteilen bliebe, das sich aber nicht auf zweierlei Arten weitergeben lässt. Und obgleich es, von einem höchsten Ausblick aus, auch schon wieder gleichgültig sein möchte, ob einer sein Letztes und Wesentliches so oder so ausgebe: in einem unscheinbar weiterwirkenden Worte an einen Freund, oder, nachweisbarer und weithin sichtbar, in ein, durch seine Verwandlung Überlebendes dauernd eingeformt: so drängt mich doch meine ganze Anlage und der Verlauf meines Lebens mehr nach dieser letztern Form der Aussprache und Weitergabe hin (gewiss nicht aus Eitelkeit!) und verpflichtet mich irgendwie zu ihr.

Also ist es nicht - wie helle einmal meinte - der Umstand, dass Rilke eben kein „Held der Arbeit“ war, sondern es ist ein Entsagen — und wo wird dies heute nicht missverstanden als Lebensversagen?

Kennst du Bild?
Alle Feldmäuse arbeiten Tag und Nacht, sammeln Körner und Nüsse, Weizen und Stroh. Alle – bis auf Frederick. Er sammelt Sonnenstrahlen, Farben und Wörter – das sind seine Vorräte für die kalten, grauen und langen Wintertage.
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gliwi
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Beitrag von gliwi »

Nein, lieber Christoph, du hast es mit einer eingefleischten Feministin zu tun, die der Meinung ist, dass Frauen oft an solchen Leistungen gehindert werden, weil sie den Mühlstein Haushalt und Kinder am Hals haben - den hat ein Mann niemals, auch heute nicht. Das andere - fernsehen, Internet surfen - sind ja Tätigkeiten, denen wir uns freiwillig unterziehen, vielleicht auch Auto reparieren, denn das würde uns die Werkstatt gerne abnehmen. Auch Goethe wäre nie Goethe geworden, hätte er nicht viele dienstbare Geister und eine Frau um sich gehabt, die ihm den Alltag abnahmen. Das geht also nicht speziell gegen Rilke!
Übrigens kannte ich selbst eine begabte Malerin, die mit der Eheschließung praktisch den Pinsel hinlegen musste und ihn erst nach dem Tod ihres Mannes - da war sie selber schon in den Siebzigern- wieder aufnehmen konnte, zum Glück hat sie noch 20 Jahre gelebt.
Gedrückt hat sich Rilke allerdings schon meiner Meinung nach, und zwar sehr rasch aus seiner Ehe und von seiner Tochter weg - ich meine, so schnell sollte man nicht aufgeben, oder mann hat es nicht wirklich ernst gemeint.
Dass er immer wieder reiche GönnerInnen gefunden hat, ist ja unser Glück, denn sonst hätte er wohl nicht so produktiv sein können. Selbst ein erfolgreicher Lyriker kann kaum je von seiner Arbeit leben - er muss auf irgendeine Weise unterstützt werden. Das ist schon in Ordnung so. (Passiert Frauen allerdings auch nicht - ich wüsste jetzt keine, mir fällt nur die arme Günderode ein, die so kläglich gescheitert ist und aus der bei besserer Förderung auch mehr hätte werden können.)
Gruß
Christiane
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.Sabine.
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Beitrag von .Sabine. »

Hallo,

Rilke sagt es doch selbst , gerade lese ich es in seinem wunderbaren "Worpswede":

"Mensch (im banalen Sinne genommen) und Künstler sind ja nie ein und dieselbe Person. Der Künstler ist das Wunderbare, der Mensch das Erklärliche; der Mensch ist in dem Flecken So und So geboren, der den Künstler gar nicht interessiert; der Mensch ist, aus was für Verhältnissen er auch kommen mag, doch immerhin Produkt dieser bestimmten Verhältnisse, selbst dann, wenn er sie widerlegt. Den Künstler aus diesen Verhältnissen heraus ableiten zu wollen, ist falsch, schon deshalb, weil er sich überhaupt aus nichts ableiten läßt. Er ist und bleibt das Wunder, die unbefleckte Empfängnis ins Seelische übertragen; das, wovor Alle staunend stehen, am meisten vielleicht er selbst."

Sabine :lol:
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lilaloufan
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Clara

Beitrag von lilaloufan »

gliwi hat geschrieben:Gedrückt hat sich Rilke allerdings schon meiner Meinung nach, und zwar sehr rasch aus seiner Ehe und von seiner Tochter weg - ich meine, so schnell sollte man nicht aufgeben, oder mann hat es nicht wirklich ernst gemeint.
Ich weiß es nicht; ist das nicht ein Klischeebild von der seufzerarm sich aufopfernden treulos verlassenen Dichtergattin? Oder hat nicht auch Clara das Künstlerleben - und auch die Verbundenheit mit ihrer Heimatregion - höher priorisiert als das traute Familienglück? Stellst du sie dir zeternd am Waschtrog vor? Der Briefwechsel mit dem weltläufigen Gegenpol Rainer lässt mich diese Persönlichkeit anders ansehen - und nicht Rainer eine Schuld zuweisen, derer sie selbst ihn nicht beklagt. Kennst du das Buch (erweiterte Dissertation) von Marina Sauer (Ullstein Taschenbuch von 2001)? Ich kenne es nicht, aber im Internet steht ein Kladdentext der Autorin, der deutet ein wenig in die Richtung eher meiner Auffassung; sicher bin ich in der Frage nicht.

Und @Sabine: Danke!
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gliwi
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Beitrag von gliwi »

1. Nein, ich stelle sie mir nicht zeternd am Waschtrog vor.
2. Nein, ich kenne das Buch nicht.
Gruß
gliwi
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Andrea
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Beitrag von Andrea »

gliwi hat geschrieben:Nein, lieber Christoph, du hast es mit einer eingefleischten Feministin zu tun, die der Meinung ist, dass Frauen oft an solchen Leistungen gehindert werden, weil sie den Mühlstein Haushalt und Kinder am Hals haben - den hat ein Mann niemals, auch heute nicht.
Mit Verlaub - ich muss off-topic mein Entsetzen über solche Kommentare äußern. Mehr aber auf keinen Fall, auf gar keinen.

Andrea
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Mona
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Beitrag von Mona »

Hallo,

30.000 Briefe ? Ich habe mir nun vorgenommen, immerhin jeden Tag einen Brief zu schreiben, wider alle Mail-Kultur (und wenn ich ihn nur abschreibe :lol: )

Mona :lol:
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Harry
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30 000 Briefe

Beitrag von Harry »

Liebe gliwi,


was ich hier bestürzt feststellen muß ist Befangenheit, einseitge Denkweise der Dir Widersprechenden, und, was noch fataler ist, dass sie sich zu ihrer Rechtfertigung hergeholte Zitate Rilkes zunutze machen, aber sich nicht durchringen können, die Geschichte der Frau faktisch zu sehen. Wer es sich nicht nehmen läßt, unter dem Einfluß der Verherrlichung einer oder mehrer Personen, die Realität der Vergangenheit, welche noch zuhauf in dieser Gegenwart Früchte trägt, zu verharmlosen oder gar zu leugnen, der muß sich den Vorwurf der Befangenheit und einseitigen Denkweise gefallen lassen.

Ich will Dir in Deinen Ausführungen sehr gerne eine Stütze sein; lag und liegt es doch (so beschämend es auch ist) in der Regel am Wohlwollen und in der Gnade der Männer, inwieweit sich eine Frau selbstverwirklichen durfte und darf. Sicher mag dies in der heutigen, aufgeklärten Zeit nicht mehr diese enorme Tragweite der Unterdrückung und Einschüchterung besitzen, wie es noch vor etwa 40 Jahren die Norm war, doch ist es traurig genug, dass der geschlechtliche Unterschied, welcher beide naturgemäß ergänzend Eins sein läßt, meist nicht auch von der menschlichen Seite her so angesehen, sondern eher hierbei hirarchisch unterschieden wird. Es ist meine tiefste Überzeugung, und die Geschichte lehrt es uns, dass es unzählige talentierte Frauen, in welcher Kunstrichtung auch immer, nur bis zu einem Ansatz gegönnt war, ihr Innerstes er- sowie ausleben zu dürfen.

Ich durfte hier eine Aussage von gliwi lesen, die sowohl realitätsbezogen ist, als auch die Frage aufwirft, warum vollzieht sich nicht in der Regel ein vollkommener Wandel, der zu einer gleichberechtigten Beziehung von Mensch zu Mensch führt?


lilaloufan schreibt:
Liebe gliwi, mir gefällt, dass du Rilke kräftig entmythologisierst: Weg mit den Nimben – freier Blick auf den gewöhnlichen Schreiber!


Was wäre gegen einem gewöhnlichen Schreiber einzuwenden, wenn die Liebe seine Feder führt??

Und hierbei sehr anmaßend:

Mir ist aber schon einigemale aufgefallen, dass du dich zu Rilke in manchen Augenblicken nicht nur auf Augenhöhe stellst, sondern ihn reduzierst auf einen versonnenen Weltflüchtling, wenn nicht gar auf einen aufgabenscheuen Drückeberger, der wie zum Alibi wenigstens ein paar poetische Ergüsse abliefert, wenn man ihn schon dermaßen schont, verwöhnt, aller Alltagslasten entledigt. Vielleicht – schreib’s dann! – verstehe ich dein Anliegen falsch: Willst du hier sagen: Die Made im Speck kann leicht Kultur schaffen? Ich war einmal ein paar Monate arbeitslos: Meinst du, da war ich in irgendeiner Weise produktiver als sonst? Nein – und man könnte doch meinen, da hatte ich den Kopf frei.

lilaloufan, ich könnte mir sehr gut vorstellen, ein Altar, verziert und ausgelegt mit Rilkes sämtlichen Werken würde irgend eine Dir heilige Ecke schmücken, deren Einfluß so gewaltig besitzergreifend ist, dass du keine andere Meinung als die Eigene zuläßt; du greifst hier öffentlich in demütigender Weise eine Anhängerin der Poesie an, maßregelst sie in einer so arroganten Manier, dass ich mich hüten muß, nicht noch andere Worte gebrauchen zu müssen.

Die "Made im Speck" kann sicher um vieles leichter Kultur schaffen, sofern ihm dies zu Schaffen gegeben ist, als jemand, der sich seinen Lebensunterhalt mit herkömmlicher Arbeit, die auch dem Normalsterblichen vorbehalten ist, verdienen muß! Realistisch betrachtet, würde kein Rilke, kein Hesse und kein(e) anderer namhafte Dichter oder Dichterin diese seine Werke hinterlassen haben, wenn ihnen nicht der Genuß der finanziellen Unabhängigkeit und somit die erforderliche Freizeit, welche sie für sich unbedingt beanspruchten, beschieden worden wäre!

Nun, du schreibst, dass du in der Zeit der Arbeitslosigkeit nicht produktiver warst. Kann es sein, dass du einfach nicht dafür vorgesehen bist, poetisch außergewöhnlich produktiv zu sein, auch in Zeiten der physischen Untätigkeit?! Es wäre bestimmt nicht von Nachteil, beide Beine am Boden zu lassen und die übel riechende Pflanze Überheblichkeit einzutauschen gegen die sagenumwobenen Rosen, deren Namen Toleranz und Einfühlsamkeit heißen.

Herzlichste Grüße

Harry
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30 000 Briefe

Beitrag von Harry »

Andrea schrieb:

Mit Verlaub - ich muss off-topic mein Entsetzen über solche Kommentare äußern. Mehr aber auf keinen Fall, auf gar keinen.

Andrea[/quote]


Hallo Andrea,

mit Verlaub-es sollte nur derjenige sein Entsetzen kundtun, der das, was er so entsetzlich findet, auch nachvollziehen kann, und nachvollziehen kann nur derjenige, der das Nachvollziehbare selbst durchlebt hat!

Als Studendin umgibt dich jedoch noch die Eierschale, welche dich von der Welt der Hausfrau und Mutter gänzlich abgeschieden sein läßt!

Mit Verlaub-deine Größe (menschlicher Natur) hätte sich hier im Stillschweigen offenbart; jedoch ist es genügsamer für dich mit den Wölfen zu heulen, was dich sicher nicht zu etwas besonderen macht!

Herzlichst

Harry[/b]
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lilaloufan
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Beitrag von lilaloufan »

Zum Thema:
Mona hat geschrieben:… weiß jemand, wieviele Briefe Rilke in seinem Leben geschrieben hat? Ich las gerade etwas von 30.000 Rilke-Briefen! Wann hätte er dann noch Zeit gehabt, Gedichte zu schreiben?
Mag sein, dass man auf ± 30 TBriefe kommt, wenn man zählt. Was hier aber zählt ist nicht die Anzahl. Sie ist so wenig wichtig und so wenig bewundernswert wie die Tatsache, ob jemand 30T€uro/a an Einkommen bezieht. Die Lebensleistung eines „verdienstlosen“(!) Menschen, der sich entschließt, einen Brief zu schreiben, kann sogar größer sein, wenn dieser eine einzige Brief seiner(m) EmpfängerIn für die weitere Biographie existentiell bedeutsam wird - größer als die eines Vielschreibers, den es in den Fingern juckte, mit brillanter Tinte Applaus für bloße Eloquenz zu heischen.

Ob Poesie Rilke „gegeben“ [Wer ist der Geber, der Erbstrom? die Erziehung? ein Inspirator?] war, gar ob es sein „vorgesehen“(!) Sein [vom ‚Schicksal’? vom ‚lieben Gott’?] war, oder ob uns eine unerbittlich dem Entsagen abgerungene Lebensleistung [seiner Individualität selbst!] vorliegt, die wir kaum je gerecht durchdringen können, ist hier schon in mehreren Threads feinfühlig und aspektreich beleuchtet worden. Ich, liebe Mona, bewundere nicht die Zahl 30.000, sondern den Umstand, dass „die Liebe seine Feder führt(e)“, wie Harry sehr schön und überzeugend schreibt. Diese Inspiration durch die Liebe selbst – nur diese allein – hebt alles Gewöhnliche auf. ‚Ein gewöhnlicher Schreiber, dem die Liebe die Feder führt’, ist eine Contradictio in adjecto. Wann bloß führt uns die Liebe die Finger auf der Tastatur?

Freilich hat Rilke sich sehr dankbar geäußert im Hinblick auf die Umstände, die ihm diese Lebensleistung erleichtert haben. Aber er schreibt auch von „Unrecht“: «Unser Unrecht, Regina (Ullmann, 23.XII.1920), liegt, glaub mir, nicht so sehr darin, den Kindern nicht mehr als nur ‹das pure Leben› geschenkt zu haben, - als vielmehr darin, dass wir überhaupt Kinder hatten, während doch unsere Verantwortung schon vorher anders belegt und vergeben war und ihnen also nicht mehr zugewendet werden konnte» Urteile jede(r) selbst.

Soweit zur Sache. Zum Persönlichen muss ich nichts schreiben: Ich danke sehr, dass Harry auch auf dieser Ebene durch die lilaloufan-Zitate selbst die Beweismittel vorlegt, die mir ersparen, mich mit dem Anwurf der Arroganz auseinanderzusetzen. Und dir, liebe Christiane, möchte ich hier ausdrücklich bestätigen, dass ich dich in deinem Wirken im Forum nie als „Anhängerin“ von irgend etwas oder irgend wem erlebt habe. Auch nicht von Feminismus.

Bleibt noch die Frage, ob Andrea hier ex ovo poste. Ich habe eben alle seine Beiträge noch einmal gelesen. Es lohnt sich! Ich kann Harrys Urteil über ihn überhaupt nicht fassen. Vermutlich ist es aus Arroganz entstanden.

Es gibt im Internet Foren, in denen kann man Beziehung suchen; man schneit herein und sucht die Rempelei. Vielleicht hat der eine oder andere Diskussionsverlauf hier Ähnliches angeboten, das Tor dafür geöffnet. Dies allein wäre mir an Harrys Beitrag 2 und 3 ein Anlass zur Selbstbesinnung.

Christoph
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Andrea
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Beitrag von Andrea »

lilaloufan hat geschrieben:Es gibt im Internet Foren, in denen kann man Beziehung suchen; man schneit herein und sucht die Rempelei. Vielleicht hat der eine oder andere Diskussionsverlauf hier Ähnliches angeboten, das Tor dafür geöffnet. Dies allein wäre mir an Harrys Beitrag 2 und 3 ein Anlass zur Selbstbesinnung.
Dafür danke, Christoph =)

Ehrlich gesagt hab ich im Rilke-Forum wenig Lust auf polemische Flamewars. Deshalb muss ich mir das Aussprechen weiterer Kommentare verkneifen, so groß die Versuchung (= Provokation) auch ist. Einer 20-jährigen Studentin könnte man vielleicht vorwerfen, was Harry zum Besten gegeben hat, und selbst da könnte man sich oft irren. Dass er mich für eine 20-jährige Studentin hält, zeigt, wie gut er überhaupt weiß, mit wem er da redet.

Wenn zwei der ersten drei Kommentare schon Geflame sind, sagt das schon genug aus, um es für sich stehen zu lassen.

Und jetzt höre ich lieber auf, bevor ich noch deutlicher werde. Immerhin ist mein eigener Beitrag, schändlich genug, selbst schon vollkommen off-topic.

Also bitte zurück zum Thema,

Andrea
Kein Jenseitswarten und kein Schaun nach drüben,
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gliwi
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Beitrag von gliwi »

Danke, Harry,
für die freundliche und einfühlsame Unterstützung. Ich streite zwar gerne und lustvoll, aber inzwischen bin ich in einem Alter, wo ich gelegentlich zu mir selber sage: Du musst doch nicht mehr auf jedes rote Tuch losrennen, das dir jemand vor die Nase hält. Umso mehr freut es mich, wenn jemand in meinem Sinn Stellung bezieht. Was an meiner Meinung so "entsetzlich" sein soll, ist mir unklar, aber ich wollte nicht nachfragen. Ich selbst habe schon oft, obwohl ich keine Dichterin bin und obwohl ich sogar eine Putzfrau habe, geseufzt: Der Haushalt bringt mich noch um, womit ich eigentlich meinte, er bringt mich um viele Stunden, die ich lieber mit schönen Dingen ausfüllen würde. Vielleicht auch mit Briefschreiben? A propos: Goethe hat sich auch manchmal beklagt, nicht weil er sich am Haushalt beteiligt hätte, aber die vielen Besucher und Einladungen, die der berühmte Mann bekam, haben ihn auch vom Arbeiten abgehalten. Er war ja auch ein großer Briefschreiber, aber ich glaube, 30000 sind doch ein einsamer Rekord. Womit wir wieder beim Thema wären.
Gruß
Christiane
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.Sabine.
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Rilke in Eile ?

Beitrag von .Sabine. »

Hallo,

war auch Rilke in Eile ? Oder warum klebte er seine Briefmarken schon mal verkehrt herum ? War das eine Art Geheimcode oder hat er es einfach übersehen, nachdem er "kurz vor Ladenschluss" noch schnell auf dem Postamt Briefmarken besorgte und seine Schreiben aufgab ???

Sabine :lol:
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