Ernste Stunde

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

Moderatoren: Thilo, stilz

lisa b.
Beiträge: 8
Registriert: 2. Okt 2008, 17:46

Ernste Stunde

Beitrag von lisa b. »

hallo leute
ich hab ein paar fragen zu dem gedicht ernste stunde.wär echt cool wenn ihr mir da irgendwie weiterhelfen könntet. gibt es in diesem gedicht noch andere rhetorische figuren außer anaphern und wortwiederholungen?wenn ja wo?und weiß zufällij jemand das metrum? denn bei mir sind die immer zu 100% falsch.und kann mir vielleicht jemand bei der interpretation helfen? also bei der 1. strophe denk ich geht es um seine selbstzweifel, wie eigentlich in dem gesamten gedicht...in der 2. find ich ist er auch sehr Ich bezogen aber jetzt nicht arrogant sondern eher das er denkt das alle über ihn lachen also wieder selbstzweifel. in der 3. denk ich das er damit sagen will das ihn niemand besucht und wenn dann immer nur welche ohne grund um sich die zeit zu vertreiben. bei der 4. denk ich das er sich selber gefühlsmäßig als tot empfindet und die sterbenden an ihn vorbei ziehen in die welt der toten und er bleibt sozusagen zwischen leben und tod hängen. ja würd gern wissen ob mein interpretationsansatz richtig ist oder ob ich total daneben liege?und weiß zufällig jemand wo ich etwas zu rilkes künstl. ansichten und deren umsetzung finde oder zu einschätzungen seines lyrischen werkes durch kritiker und seine rolle in der deutschen literaturgeschichte? ja....wär echt nett wenn mir da jemand weiterhelfen könnte.
Benutzeravatar
lilaloufan
Beiträge: 863
Registriert: 18. Apr 2006, 18:05
Wohnort: Groß-Umstadt (Südhessen)
Kontaktdaten:

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lilaloufan »

Hallo Lisa,
ich hab' gerade nicht Zeit, Deine Fragen in Ruhe zu lesen, geschweige gleich zu antworten, aber ich stell' schon wenigstens mal das Gedicht selbst (ernste_stunde) als Link hinzu.
Einstweilen viel Erfolg! l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
stilz
Beiträge: 1226
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: Ernste Stunde

Beitrag von stilz »

Hallo Lisa,

in Deinem Interpretationsversuch scheinst Du davon auszugehen, daß das "Ich" ein ichbezogener Mensch ist, der sich das, was er da sagt, nur einbildet, so als hätte er eine Art "Verfolgungswahn"... ich verstehe gut, daß man es zuerst mal so liest; aber ich glaube nicht, daß Dich das weiterbringt.

Ich möchte Dir einen anderen Ansatz vorschlagen:
Versuch mal im Gegenteil, die "Aussagen" dieses Gedichtes als wahr anzusehen. Und wenn sie wahr wären: wer wäre dann das "Ich"?
Wenn jemand weint oder lacht, oder geht oder stirbt, ohne daß es einen unmittelbaren kausalen "Grund" dafür gibt: für wen tut er das? Für wen geschieht das, was da geschieht? Und: wohin führt es?
Oder auch: selbst wenn es einen unmittelbaren kausalen "Grund" gibt: was bedeutet alles Geschehen, wenn man es in einen "größeren Bezug" stellt? Zu welcher Art von "Ich" kann mich eine solche Frage führen?

Zur Erklärung des "größeren Bezugs": der "große" oder auch "andere Bezug" - das ist ein Begriff, den Rilke selbst verwendet.
Ich denke an Gieb deinem Herzen ein Zeichen oder an diese Stelle der Neunten Elegie:
  • ...Ach, in den andern Bezug,
    wehe, was nimmt man hinüber? Nicht das Anschaun, das hier
    langsam erlernte, und kein hier Ereignetes. Keins.
    Also die Schmerzen. Also vor allem das Schwersein,
    also der Liebe lange Erfahrung, - also
    lauter Unsägliches. ...
Ich würde mich freuen, wenn Du schreibst, ob Du mit einer solchen Fragestellung etwas anfangen kannst!

Lieben Gruß

stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
lisa b.
Beiträge: 8
Registriert: 2. Okt 2008, 17:46

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lisa b. »

hallo stilz
ich bin mir jetzt nicht sicher ob ich das richtig verstehe......aber könnte es sein das rilke als " der tod" schreibt???aber dann würde das mit dem "ohne grund" nicht passen.....ich muss gestehen das du mich ein wenig verwirrt hast....

liebe grüße
lisa
lisa b.
Beiträge: 8
Registriert: 2. Okt 2008, 17:46

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lisa b. »

achso und natürlich herzlichen dank an lilaloufan für den link
liebe grüße
lisa
stilz
Beiträge: 1226
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: Ernste Stunde

Beitrag von stilz »

Liebe Lisa,

tut mir einerseits leid, wenn ich Dich verwirrt habe... andererseits: ganz ohne Veränderung einer vielleicht gewohnten und alltagstauglichen "inneren Ordnung" läßt sich Rilke halt meiner Meinung nach nicht begreifen...
In seinen Gedichten gibt es für mich niemals eine ganz eindeutige Zuordnung, "X bedeutet dieses, Y bedeutet jenes"...

Zu Deiner Frage, ob Rilke als "der Tod" schreibt - und auf die Gefahr hin, Dich noch weiter zu verwirren :wink: :
Hier hab ich mal geschrieben:
"in einem "größeren Bezug" scheinen "Leben" und "Tod" geradezu Synonyme zu sein: während man lebt, stirbt man dem Tod entgegen - während man stirbt, lebt man sein Leben... " Und in seiner Antwort stellt lilaloufan ein Rilke-Zitat herein, in dem es heißt: "Die wahre Lebensgestalt reicht durch beide Gebiete, das Blut des größesten Kreislaufs treibt durch beide..."
Könnte das "Ich" in der "Ernsten Stunde" mit dieser "wahren Lebensgestalt" zusammenhängen, von der Rilke im zitierten Brief spricht?

Du findest es vielleicht seltsam und verwirrend, daß ich Dir Fragen stelle, statt ganz einfach eine eindeutige Antwort zu schreiben... Aber erstens hab ich selber keine "eindeutige Antwort".
Und außerdem: in einem der Briefe an einen jungen Dichter schreibt Rilke:
... und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.

Ich kann Rilkes Gedichte nicht anders "interpretieren", als dadurch, daß ich versuche, die Fragen, die sie in mir auslösen, zu leben...

Lieben Gruß, und Gute Nacht!

stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
lisa b.
Beiträge: 8
Registriert: 2. Okt 2008, 17:46

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lisa b. »

hallo stilz
ich bin auch der meinung das man gedichte nie eindeutig interpretieren kann, aber da ich noch zur schule gehe muss ich es machen denn ich kann ja nicht 5 verschiedene interpretationsansätze schreiben :D .
also könnte man theoretisch schreiben , als einen interpretationsansatz, dass es in dem gedicht um leben und tod geht und wie jeder einzelne mensch damit umgeht?
liebe grüße und vielen dank für die geduld rilke mir näher zu bringen.
Benutzeravatar
lilaloufan
Beiträge: 863
Registriert: 18. Apr 2006, 18:05
Wohnort: Groß-Umstadt (Südhessen)
Kontaktdaten:

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lilaloufan »

  • Wer jetzt weint irgendwo in der Welt,
    ohne Grund weint in der Welt,
    weint über mich.

    Wer jetzt lacht irgendwo in der Nacht,
    ohne Grund lacht in der Nacht,
    lacht mich aus.

    Wer jetzt geht irgendwo in der Welt,
    ohne Grund geht in der Welt,
    geht zu mir.

    Wer jetzt stirbt irgendwo in der Welt,
    ohne Grund stirbt in der Welt:
    sieht mich an.
Lisa, ich meld’ mich noch mal.

Du hast vier Strophen vor Dir, die das Wort Ich gar nicht im Nominativ enthalten. Es sind vier Aussagen, die nur die Flexionen «über mich», «mich», «zu mir» und wieder «mich» enthalten.

Durchgängig sind der Beginn: «Wer…» im Sinne von „jeder, der / jede, die“ und „ohne Grund“.

Das ebenfalls durchgängige «irgendwo in der Welt | in der Welt» alteriert in der zweiten Strophe zu «…Nacht».

Die Prädikate «weinen | lachen | gehen» werden in den Strophen beibehalten; in der vierten Strophe folgt auf einen Doppelpunkt der Prädikatwechsel von «sterben» zu «ansehen».

Soweit die Demontage, der Blick aufs Material.

Woher kennen wir vielleicht solcherart rhetorische Figuren?

Rilke kannte die Bibel gut, las immer wieder im Johannes-Evangelium, mit dem Luther nichts hatte anfangen können. Ich zitiere mal ein paar Stellen:

Πᾶς ὁ ὢν ἐκ τῆς ἀληθείας ἀκούει μου τῆς φωνῆς.
OMNIS QUI EST EX VERITATE AUDIT MEAM VOCEM.
Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme. (Joh. 18;37)

Aber auch zuvor schon:
Ơ δὲ ἐμὲ λαμβάνων λαμβάνει τὸν πέμψαντά με.
QUI AUTEM ME ACCIPIT ACCIPIT EUM QUI ME MISIT.
Wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf der mich gesandt hat. (Joh. 13;20)

Ơ ἑωρακὼς ἐμὲ ἑώρακεν τὸν πατέρα.
QUI VIDIT ME VIDIT ET PATREM.
Wer mich sieht, der siehet den Vater. (Joh. 14;9)

Ơ πιστεύων εἰς ἐμέ, τὰ ἔργα ἃ ἐγὼ ποιῶ
κἀκεῖνος ποιήσει, καὶ μείζονα τούτων ποιήσει.
QUI CREDIT IN ME OPERA QUAE EGO FACIO ET IPSE FACIET
ET MAIORA HORUM FACIET
.

Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die ich tue,
und wird größere als diese tun. (Joh. 14;12)

Ơ ἔχων τὰς ἐντολάς μου καὶ τηρῶν αὐτάς, ἐκεῖνός ἐστιν ὁ ἀγαπῶν με,
ὁ δὲ ἀγαπῶν με ἀγαπηθήσεται ὑπὸ τοῦ πατρός μου.
QUI HABET MANDATA MEA ET SERVAT EA ILLE EST QUI DILIGIT ME.
QUI AUTEM DILIGIT ME DILIGETUR A PATRE MEO.

Wer meine Gebot hat und hält sie, der ist’s, der mich liebet.
Wer mich aber liebet, der wird von meinem Vater geliebt werden.
Κἀγὼ ἀγαπήσω αὐτὸν καὶ ἐμφανίσω αὐτῷ ἐμαυτόν.
ET EGO DILIGAM EUM ET MANIFESTABO EI ME IPSUM.
Und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. (Joh. 14;21)

Έάν τις ἀγαπᾷ με, τὸν λόγον μου τηρήσει.
SI QUIS DILIGIT ME SERMONEM MEUM SERVABIT.
Wer mich liebet, der wird meine Worte halten. (Joh. 14;23)

Ơ μένων ἐν ἐμοὶ κἀγὼ ἐν αὐτῷ, οὗτος φέρει καρπὸν πολύν.
QUI MANET IN ME ET EGO IN EO HIC FERT FRUCTUM MULTUM.
Wer in mir bleibet und ich in ihm, der bringet viel Frucht. (Joh. 15;5)

Ơ ἐμὲ μισῶν καὶ τὸν πατέρα μου μισεῖ.
QUI ME ODIT ET PATREM MEUM ODIT.
Wer mich hasset, der hasset auch meinen Vater. (Joh. 15;23)

Und das steigert sich zu:

Καὶ ὁ μένων ἐν τῇ ἀγάπῃ
ἐν τῶ θεῶ μένει
καὶ ὁ θεὸς ἐν αὐτῶ μένει.
ET QUI MANET IN CARITATE
IN DEO MANET
ET DEUS IN EO
.

Und wer [bewusst] in der Liebe bleibet,
der bleibt in Gott [bewusst],
und Gott [bleibt] in ihm [bewusst]. (I. Joh. 4;16)


Könnte es sein Lisa, dass das Gedicht aus der Haltung heraus spricht, die hier als die „Liebe“ bezeichnet ist, dem Gotte gleich?

Könnte es sein, dass dieses, was sich im Menschen offenbaren wird wenn der Mensch geistesgegenwärtig liebt, auch eben dieses ist, vor dessen Antlitz der Mensch hintritt im Tode? Urbild aller Ichheit? Repräsentant aller Menschlichkeit? Magst Du das, nach stilz’ Beitrag, versuchen so oder so ähnlich zu befragen?
Ja mehr noch: Könnte es Dir als das erscheinen, was - im Sinne Deiner letzten Frage - das Leben und den Tod und all unser Lachen und Weinen und alle die Schicksalswege, die wir im Leben abschreiten, gleichermaßen umspannt und mit Sinn erfüllt?

fragt Christoph
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
lisa b.
Beiträge: 8
Registriert: 2. Okt 2008, 17:46

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lisa b. »

hallo lilaloufan
also wenn ich das richtig verstehe interpretierst du das gedicht eher so dass sich das gesamte gedicht auf gott bezieht?das wenn ein mensch stirbt ein anderer gott fragt warum er ihn "geholt" hat oder manche nicht an ihn glauben und über ihn bzw. seine existenz lachen und wer nicht weiß wo er hingehen soll bzw. kein sinn sieht ,sich gott anschließt und wenn jemand stirbt er zu gott kommt und ihn "ansieht"....oder versteh ich das schon wieder falsch :D ?
liebe grüße
lisa
stilz
Beiträge: 1226
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: Ernste Stunde

Beitrag von stilz »

Liebe Lisa,

:wink: Du Arme, wie ich sehe, gelingt es jeder neuen Antwort, Dich noch ein bisserl mehr zu verwirren... :wink:
lisa b. hat geschrieben:ich bin auch der meinung das man gedichte nie eindeutig interpretieren kann, aber da ich noch zur schule gehe muss ich es machen denn ich kann ja nicht 5 verschiedene interpretationsansätze schreiben :D .
Nun - wenn Du Deinen Aufsatz schließlich schreibst, wirst Du Dich wohl für den "Interpretationsansatz" entscheiden, der am ehesten Deiner eigenen Überzeugung entspricht. Diese Entscheidung kann (und will) Dir niemand abnehmen.
Hier kann es nur darum gehen, miteinander zu überlegen, auf welche Weise man das Gedicht verstehen kann. Dabei gibt es zunächst mal kein "einzig richtig" oder "total falsch" - alles, wofür sich überzeugende Argumente im Text finden lassen, "gilt".
Ich hoffe nicht, daß Dein Lehrer das anders sieht!

Wenn man sich fragt, worum es in diesem Gedicht gehen mag, ist es vielleicht eine gute Idee, sich die Überschrift anzuschauen, die Rilke ihm gegeben hat.
Das Gedicht trägt den Titel "Ernste Stunde".
Und in jeder einzelnen Strophe gibt es das Wort "jetzt"...

Wann ist eine Stunde "ernst"?
Wohl dann, wenn ich etwas "Ernstes" erlebe, an etwas "Ernstes" denke.
In einer solchen Stunde ist mein "Seelen- und Gedankeninhalt", mein ganzes "Ich", ernst.
Und ich mir werden Dinge bewußt, die mir sonst nicht bewußt sind...

Es gibt viele Möglichkeiten, um zu der Überzeugung zu kommen, die sich für mich in diesem Gedicht ausdrückt.

Vielleicht wird mir plötzlich klar, ein wie winzig kleiner Teil der "ganzen Welt" ich bin, oder auch: wie sehr alles hier auf Erden miteinander verbunden ist - ohne die Sonne könnten keine Pflanzen wachsen, ohne Pflanzen könnten keine Tiere leben, und auch wir selber hätten keine Nahrung oder auch nur Atemluft... vielleicht denke ich auch an "Globalisierung" und den "ökologischen Fußabdruck", Schlagworte, die es zu Rilkes Zeit noch gar nicht gab...

Oder ich erhebe mich in Gedanken vielleicht über meine kleinen, alltäglichen "Wichtigkeiten", und ich frage mich, ob es nicht etwas "Größeres" gibt, einen "Sinn", den das alles haben könnte... ich frage mich, wer "ich" eigentlich bin, wofür ich da bin, hier in dieser Welt... und wieder: wie "ich" mit der ganzen Menschheit zusammenhänge, welchem "Ziel" wir alle miteinander entgegengehen mögen...

Christoph zitiert aus dem Neuen Testament... dessen zentrales Gebot für mich ist: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.
Ja. Auch so kann ich zu der Überzeugung kommen: Wer jetzt weint/lacht/geht/stirbt in der Welt --- der hat etwas mit mir zu tun...

Liebe Lisa, das alles nimm bitte als Anregungen, als Denkanstöße... und nicht als fertige "Interpretationen", die Du einfach übernehmen kannst.
Was erscheint Dir denn überzeugend, wofür kannst Du im Text Argumente finden?
Oder auch: was sind Deine Gedanken in Deinen "ernsten Stunden"? Sind sie ähnlich dem, was Du bei Rilke findest? Oder ganz anders?

Und noch zum Metrischen, das bei Dir immer "zu 100% falsch" :wink: ist:
Lies das Gedicht laut, und schreib auf, wie Du es betonst. Zum Beispiel "-" für eine "Hebung", und "." für eine Senkung.
Stell das Aufgeschriebene hier herein, dann können wir auch darüber reden... (und auch das könnte vielleicht "verwirrend" sein, ich jedenfalls sehe bisher kein bekanntes "Versmaß-Schema")

Lieben Gruß!

Ingrid
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
gliwi
Beiträge: 941
Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
Wohnort: Ba-Wü

Re: Ernste Stunde

Beitrag von gliwi »

Zum Inhalt: das ist für mich eines der rätselhaftesten Gedichte Rilkes.
Auch das Metrum ist nicht eindeutig, man könnte verschiedene Muster zugrunde legen. Ich entscheide mich für:
--x --x --x Anapäst
x-x x --x Trochäus, Spondeus, Anapäst
x--x Einzelton, Anapäst (vielleicht gibt es eine Bezeichnung dafür, ich kenne sie nicht.)
Übrige Strophen letzter Vers:
x-x Einzelton, Jambus (s.o.)

p.s. stilz, das war ein echter doppelpost!
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
gliwi
Beiträge: 941
Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
Wohnort: Ba-Wü

Re: Ernste Stunde

Beitrag von gliwi »

Hallo Lisa,
wie ich schon sagte, zu diesem Gedicht fällt mir nicht viel ein. Rilke schreibt Rollen-Gedichte, aber bei diesem hier würde ich das lyrische Ich als identisch mit Rilke in seiner Rolle als Dichter sehen. Und diesem Dichter wird in der ernsten Stunde bewusst, was meine beiden Vorredner schon sehr schön ausgedrückt haben, ich sage es jetzt aber ganz einfach: alle Menschen sind auf geheimnisvolle Art miteinander verbunden, was einem geschieht, geschieht allen. (Ähnliches Zitat, das ich nur noch ungefähr weiß: "Was jetzt geschieht, geschieht uns." Anna Seghers, "Das siebte Kreuz".) Und dem kann er sich nicht entziehen. Er ist so empfindsam und empfänglich für das, was die Menschen aussenden, dass er es spürt.
Gruß
gliwi
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
lisa b.
Beiträge: 8
Registriert: 2. Okt 2008, 17:46

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lisa b. »

hallo stilz
das mit dem höheren sinn im leben ist glaub ich nichts für mich, denn ich glaub nicht wirklich das alles aus einem bestimmten grund passiert oder ähnliche dinge. ich glaub am meisten sagt mir die interpretation mit "gott" zu.
also ich versuch mich mal am metrum:
1 strophe: . . . - . . . . . - . . . . - . . .
ja so würd ich das glaub ich sprechen, aber ich finde das das auch wieder jeder anders betont.
kennst du zufällig noch ein paar Kritiker von rilke?
liebe grüße
lisa
lisa b.
Beiträge: 8
Registriert: 2. Okt 2008, 17:46

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lisa b. »

hallo gliwi
erstaml vielen dank für deine antwort.
wie ich schon zu stilz sagte kann ich mich mit diesem interpretationsansatz nicht so anfreunden. ich versuch es einfach mit dem ansatz "gott" und ich kann nur hoffen das es verständlich ist und ich eine gute note bekomme :wink: .
liebe grüße
lisa
Benutzeravatar
lilaloufan
Beiträge: 863
Registriert: 18. Apr 2006, 18:05
Wohnort: Groß-Umstadt (Südhessen)
Kontaktdaten:

Re: Ernste Stunde

Beitrag von lilaloufan »

Lisa,
wie auch immer Du uns / mich verstanden hast: Das Richtige ist, dass Du nun von Deinem Verständnis, von Deinem Urteil ausgehst. Nichts anderes kannst Du verantworten, vor Dir selbst.

Nur ein Tipp noch. Ich habe Dir bei I. Joh. 4;16 die erste Zeile vorenthalten; sie lautet: GOtt IST die Liebe. Ο ΦΕОΣ ΑΓΑΠΗ ΕΣΤΙΝ.

l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Antworten