An den Engel -- gegen den Strich?

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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stilz
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Beitrag von stilz »

Das Zitat "Leerräume zwischen den Sinnen" ist zu finden in: Albert Steffen: Buch der Rückschau, Dornach ²1976, S. 174 f. --- und hier hat lilaloufan es schon einmal im Zusammenhang zitiert.

Und noch zum "Weltinnenraum" ... das war mir nicht bewußt, daß Rilke das tatsächlich nur ein einziges Mal gesagt hat, noch dazu zu einem "unsicheren" Lebenszeitpunkt.
Aber wie ist es mit "Nirgends, Geliebte, wird Welt sein als innen"?
Und auch mit "Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar in uns erstehn?"?

Lieben Gruß!

stilz
Zuletzt geändert von stilz am 26. Sep 2011, 23:43, insgesamt 1-mal geändert.
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
MikeInMKE
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Beitrag von MikeInMKE »

Super! Dies passt genau / unterstützt meine Argumente hervorragend, auch wenn es mit Vorsicht verwendet werden darf, da 'nur' ein mündlicher Bericht. Ich habe es unten aus dem Eintrag von lilaloufan nochmal kopiert. Wie Rilke dem Bericht zufolge das Sinnliche / die Sinne betont, und dann zum Schluss des Zitats der "Erkenntnissphäre" ablehnend gegenüber ist... sehr gut.

Danke!

Die anderen Bezüge auf das innere Leben sind mir auch einigermaßen bekannt, aber ich betone sie nicht. Rilke hebt auch in ein paar anderen 'Engelgedichten' das Träumen hervor, was mich auch nicht stört, da der Ort des Träumens ja der Körper ist.

Mike



>>>Rilke hörte in seinen Münchner Jahren (im Februar 1918) zwar einen öffentlichen Vortrag Rudolf Steiners über «Das Sinnlich-Übersinnliche in seiner Verwirklichung durch die Kunst», verhielt sich zu dessen Inhalt jedoch weitgehend ablehnend. (Vgl. Albert Steffens Bericht über ein entsprechendes Restaurant-Gespräch mit Rilke am nächsten Tag: «Ohne sich über Rudolf Steiners Ausführungen zu äußern, begann Rilke seine eigenen Gedanken über die Verbindung mit dem Übersinnlichen zu entwickeln. –„Wir empfangen Eindrücke durch die Sinne“, sagte er, „durch Auge, Ohr, Geschmack. Zwischen diesen Sinnen sind ‚Leerräume’, die zwar bei den Urvölkern noch ausgefüllt sind, aber bei uns erstorben.» Und er zog auf der Papierserviette einen Kreis, den er in einzelne Sektionen teilte, wobei er diese abwechslungsweise schattierte, so dass zuletzt etwas wie eine Scheibe mit schwarzen Keilschriftzeichen entstand. „Diese Teile urbar zu machen, ist nötig“, fuhr er fort, „das gibt genug zu tun.“ Und er begann über Huysmans Symphonie der Gerüche zu reden. -Ich erwiderte, dass ein solches Wiederbeleben erstorbener Fähigkeiten auf höherer Stufe erfolgen müsste, das heißt, nicht nur von der Empfindungs-, sondern von der Erkenntnissphäre her, durch Methoden, die allen Menschen zugänglich wären und nicht das Vorrecht einzelner Auserwählter bleiben dürften. - Hier empfand ich wiederum jene innere Abwehr, weshalb ich verstummte.» Albert Steffen: Buch der Rückschau, Dornach ²1976, S. 174 f.)<<<
stilz
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Re: Die Engel des Islam

Beitrag von stilz »

Nach langer Zeit habe ich noch eine Frage zu diesem Gespräch, und zwar zu diesem posting:
Abdelwahab hat geschrieben:Hallo ,

ohne euch konvertieren zu wollen , will ich darauf aufmerksam machen, dass Rilke sich zu den Engeln in einem Brief geaeussert hat und sie, wenn ueberhaupt moeglich, den Engeln des Islams aehnlicher fand ...

Wie gesagt : Ohne euch konvertieren zu wollen !

Gruss
Lieber Naser, falls Du noch mitliest: könntest Du den genauen Wortlaut nachreichen?
Oder weiß vielleicht sonst jemand, um welchen Brief es sich handelt? Das würde mich sehr interessieren!

Herzlichen Gruß in die Runde,
Ingrid
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lilaloufan
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Re: An den Engel -- gegen den Strich?

Beitrag von lilaloufan »

Ah, da kann ich mal Auskunft geben, denn die Passage entstammt dem Brief, aus dem meine Signatur zitiert ist. Am 10. November 1925 schreibt Rilke aus Muzot sur Sierre an seinen polnischen Übersetzer Witold Hulewicz und sendet diesem dessen „Fragebogen“ ausgefüllt zurück.

Da heißt es im vorletzten Absatz: »Der ›Engel‹ der Elegien hat nichts mit dem Engel des christlichen Himmels zu tun (eher mit den Engelgestalten des Islam) . . . Der Engel der E_l_e_g_i_e_n ist dasjenige Geschöpf, in dem die Verwandlung des Sichtbaren in U_n_sichtbares, die wir leisten, schon vollzogen erscheint.«

Christoph
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
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Re: An den Engel -- gegen den Strich?

Beitrag von stilz »

Lieber Christoph,
das ging aber schnell!
Danke!!!
LG, i.
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lilaloufan
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Re: An den Engel -- gegen den Strich?

Beitrag von lilaloufan »

Es tut sich dabei halt eine Reihe von Fragen auf. Denn das, was Rilke im zweiten hier zitierten Satz charakterisiert – und zwar für den Engel der Elegien! –, ist ja wie eine Art Definition formuliert. Diese würde nach meinem Verständnis der christlichen Engelhierarchien (siehe Pseudo-Dionysius Areopagitas Περί τῆς οὐρανίας ἱεραρχίας) eher den drei unteren Engelchören der christlichen Angelologie entsprechen als auf auch nur ein einziges der Engelwesen passen in der auf Islam-Pedia beschriebenen Vielfalt von Engelsgestalten des Islam. Ob Rilke da einer verklärenden Darstellung aufgesessen ist? Vielleicht hat es mehr mit einem Vorbehalt zu tun, der aus seiner grundsätzlichen Abneigung gegen das Konfessionelle, Kirchenchristliche stammt? Oder er hat die auch bei Pseudo-Dionys konstruierte Nähe der neun Engelhierarchien zur Hierarchiestruktur der Kirche gekannt und es verabscheut, dass hier eine geistige Tatsache in Anspruch genommen wurde zur Rechtfertigung von kirchlichem Machtgefüge (wovon u. a. die Wiener Hofkirche zeugt). Alles Vermutungen.

Man sollte wirklich auf keinen Fall ignorieren, dass Rilke hier nicht von Engeln im Allgemeinen spricht, sondern vom „‚Engel‛ der Elegien“ – das ist im Brief unterstrichen!
  • »Diese, nicht mehr von Menschen aus, sondern im Engel geschaute Welt, ist vielleicht meine wirkliche Aufgabe, wenigstens kämen in ihr alle meine früheren Versuche zusammen (…)«
    (Brief an Ellen Delp, 27. Oktober 1915)
l.
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