Nachbar Gott

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

Moderatoren: Thilo, stilz

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Pauline

Nachbar Gott

Beitrag von Pauline »

Hallo,

gibt es ein ähnliches Gedicht wie vom "Nachbar Gott" - aus dem "Stundenbuch" auch in anderen Zusammenhängen ?

Danke für Antworten !

Pauline :lol:
Paula
Beiträge: 239
Registriert: 29. Feb 2004, 11:01

Beitrag von Paula »

Hallo,

wie wär`s damit:

Von den Fontänen

...Vergaß ich denn, daß Stern bei Stern versteint
und sich verschließt gegen die Nachbargloben?
Daß sich die Welten nur noch wie verweint
im Raum erkennen? - Vielleicht sind wir oben,
in Himmel andrer Wesen eingewoben,
die zu uns aufschaun abends. Vielleicht loben
uns ihre Dichter. Vielleicht beten viele
zu uns empor. Vielleicht sind wir die Ziele
von fremden Flüchen, die uns nie erreichen,
Nachbaren eines Gottes, den sie meinen
in unsrer Höhe, wenn sie einsam weinen,
an den sie glauben und den sie verlieren,
und dessen Bildnis, wie ein Schein aus ihren
suchenden Lampen, flüchtig und verweht
über unsere zerstreuten Gesichter geht....

Aus: Das Buch der Bilder

Vielleicht gibt es weitere Vorschläge ? Muss ja nicht unbedingt von Rilke sein. Sicher haben auch andere Dichter ähnliche Bilder gebraucht ?

Paula
.Sabine.
Beiträge: 114
Registriert: 7. Sep 2005, 22:32
Wohnort: Kaiserslautern

Beitrag von .Sabine. »

Hallo, Paula,

.... auf einmal weiss ich viel ... (von den Fontänen) :wink:

Ein wunderbares Gedicht ... !

Sabine :lol:
"Ich lerne sehen.... " (Rainer Maria Rilke)
Paul A.
Beiträge: 172
Registriert: 28. Mär 2004, 22:42
Wohnort: Hannover / London / New York

Beitrag von Paul A. »

Hi,

.... aber nur für schlaue Leute ... :wink: !

Paul 8)
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
Gast

Beitrag von Gast »

auch aus dem stundenbuch:

alle, welche dich suchen, versuchen dich.
und die, so dich finden, binden dich
an bild und gebärde.

ich aber will dich begreifen
wie dich die erde begreift;
mit meinem reifen
reift
dein reich.

ich will von dir keine eitelkeit,
die dich beweist.
ich weiß, dass die zeit
anders heißt
als du

tu mir kein wunder zulieb.
gib deinen gesetzen recht,
die von geschlecht zu geschlecht
sichtbarer sind.
lacrima
Beiträge: 33
Registriert: 2. Okt 2005, 16:14
Wohnort: Meißen

Beitrag von lacrima »

verzeihung, der letzte beitrag stammt von mir.
Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere
zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel
die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.
Paula
Beiträge: 239
Registriert: 29. Feb 2004, 11:01

Beitrag von Paula »

Hallo,

nun habe ich wieder einmal in meiner alten Gedichtsammlung von Paul Celan geblättert. Dabei ist mir folgendes Gedicht, passend zum Thema, aufgefallen. Fragen (und bitten) wir nicht auch heute noch so ?

Tenebrae

Nah sind wir, Herr,
nahe und greifbar.

Gegriffen schon, Herr,
ineinander verkrallt, als wär
der Leib eines jeden von uns
dein Leib, Herr.

Bete, Herr,
bete zu uns,
wir sind nah.

Windschief gingen wir hin,
gingen wir hin, uns zu bücken
nach Mulde und Maar.

Zur Tränke gingen wir, Herr.

Es war Blut, es war,
was du vergossen, Herr.

Es glänzte.

Es warf uns dein Bild in die Augen, Herr.
Augen und Mund stehn so offen und leer, Herr.
Wir haben getrunken, Herr.
Das Blut und das Bild, das im Blut war, Herr.

Bete, Herr.
Wir sind nah.

Mir ist so, als hätte ich diesen Vergleich schon einmal irgendwo gehört.

Paula
lacrima
Beiträge: 33
Registriert: 2. Okt 2005, 16:14
Wohnort: Meißen

Beitrag von lacrima »

war das blättern angeregt durch meinen letzten post im "wo finde ich..."-forum kurz vorher? :wink:

aber mir ist auch, als würde ich es wiedererkennen... aber mit der todesfuge ist es auch so. vielleicht hat celan ja wie rilke ein händchen dafür, dinge auszudrücken, die als gedanken und formulierungen in uns sind, aber die wir nur wie durch einen schleier betrachten können... wer weiß...
Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere
zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel
die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.
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lilaloufan
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wie durch einen Schleier betrachten KÖNNEN

Beitrag von lilaloufan »

lacrima hat geschrieben:vielleicht hat {celan ja wie} rilke ein händchen dafür, dinge auszudrücken, die als gedanken und formulierungen in uns sind, aber die wir nur wie durch einen schleier betrachten können... wer weiß...
Liebe lacrima, diesen unscheinbaren Satz habe ich in diesem Rilke-Jahr häufig auch gedacht - mit der obigen Betonung - und bin Dir dankbar, dass Du ihn formuliert hast.
Stille Grüße ins Neue Jahr,
lilaloufan
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
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