Suche nach Rilkezitaten

Rilke-Texte gesucht und gefunden

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mmhberlin
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Suche nach Rilkezitaten

Beitrag von mmhberlin »

Für die Übersetzung eines Buches über die "Neuen Gedichte" suche ich die Quellen einiger Zitate, u.a.:
* Bei Carl J. Burckhardt soll Rilke zitiert sein: Ich habe immer einen Stil gesucht – manchmal bis zur Manieriertheit – in einer Zeit, in der alle Grenzen bereits durchbrochen /überwunden waren

* Aus welchem Gedicht stammt folgendes Zitat?

Uns verwirrt es, die wir seiend heißen
immer so zu leben: nur von Bildern;
und wir möchten manchesmal mit wildern
Griffen Wirklichkeiten in uns reißen
Stücke, Abzufühlendes, ein Sein.
Paris, August 1907 ?

Für Hinweise bin ich dankbar, MMHberlin
Harald
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Re: Suche nach Rilkezitaten

Beitrag von Harald »

Das Burckhardt-Zitat findet sich hier: CJB, Reden und Aufzeichnungen, 1952, Seite 77.
Die Verszeilen sind ein Fragment aus dem Jahr 1907. Rilke, Werke in drei Bänden, 1991, Band 2, S. 230.
... und Anfang glänzt / an allen Bruchstelln unseres Mißlingens
mmhberlin
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Re: Suche nach Rilkezitaten

Beitrag von mmhberlin »

Vielen Dank für die beiden Fundstellen. Gern würde ich hier noch einige weitere Zitate zur Überprüfung anführen. Mein Problem liegt darin, dass ich zunächst die Zitate aus dem Niederländischen rückübersetze und dann nach dem Originalzitat suche, für das ich den korrekten Wortlaut und die Quelle brauche.Wenn mir dabei nochmals geholfen werden könnte, wäre ich sehr dankbar. mm

* »Des Künstlers ist es, das Rätsel zu lieben. Das ist alle Kunst: Liebe, sich über das Rätsel ergossen hat, und das sind die, alle Kunstwerke: Rätsel, umgeben, geschmückt, überschüttet von Liebe.“
Rilke in seiner STudie über die Maler von Worpswede?

* „Die Kunst (…)ist die leidenschaftlichste Inversion der Welt.“

* Rilke in einem Brief an seine Frau (6. Juli 1906) anlässlich eines Goya-Gemäldes in Berlin: Bei solchen Dingen muss man auf einen Vergleich kommen, der wie ein eigener kleiner Zugang ist, durch den man immer wieder eintreten kann.

* C.J. Burckhardt über Rilke n H. von Hofmannsthal: Ein ganz großer Kenner, der Schule machen wird, ein großer Manierist – nun ja, warum auch nicht, so haben wir nur sehr wenige

* Marie Taxis über R.: Er sah alles, er bemerkte alles, aber seine Wahrnehmung erwies sich immer wieder als fremdartig, total anders als die des gewöhnlichen Sterblichen.

* Ich glaube, es hats nie einer deutlicher durchgemacht, wie sehr die Kunst gegen die Natur geht, sie ist die leidenschaftlichste Inversion der Wellt, der Rückweg aus dem Unendlichen, auf einem alle ehrlichen Dinge entgegenkommen, nun sieht man sie in ganzer Gestalt, ihr Gesicht nähert sich.

* „So hätte ich ohne Anfang und Ende immer weiter dichten können.“
Harald
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Re: Suche nach Rilkezitaten

Beitrag von Harald »

Des Künstlers ist es ...
Rainer Maria Rilke, Manfred Engel, Werke: Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, 1996, Seite 325

Inversion:
Rainer Maria Rilke, Rilke Sieber, Carl Sieber, Gesammelte Briefe, 1940, Seite 113

Goya:
Gesammelte Briefe, 1940, Seite 163

großer Manierist:
Briefwechsel Hugo von Hofmannsthal - Carl J. Burckhardt, 1956, Seite 47

... wie sehr die Kunst gegen die Natur
Brief vom 30. August 1910
Gesammelte Briefe, S. 113

... ohne Anfang und Ende:
J.F. Angelloz, Rilke, Leben und Werk, München 1955, S. 142

(Bei Marie Taxis kann ich nicht weiterhelfen.)
... und Anfang glänzt / an allen Bruchstelln unseres Mißlingens
mmhberlin
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Re: Suche nach Rilkezitaten

Beitrag von mmhberlin »

Herzlichen Dank, Harald. Gibt es eine Ausgabe der Rilke-Briefe bzw. der Briefe an Rilke auf CD-Rom? Marlene.
helle
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Re: Suche nach Rilkezitaten

Beitrag von helle »

Zu den Fragen zu Marie Thurn und Taxis: Das erste Zitat stimmt im Wortlaut (nur daß der Satz noch nicht endet), es kann sich eigentlich nicht um eine Rückübersetzung handeln. Das zweite lautet: »Ich habe nie eine Reise mehr genossen, als wenn ich das Glück hatte, mit Rilke unterwegs zu sein. Nicht nur, daß er alles sah und bemerkte, er nahm alles anders auf, anders als gewöhnliche Menschen«. Die Quelle ist Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe, Erinnerungen an Rainer Maria Rilke, dritte Auflage 1937, die Stellen S. 23 u. 16.

Ein liebevolles Buch, aber so voller Liebe, daß es auch ein paar blinde Flecken hat. Und die okkulten Dinge und Erlebnisse, Séancen, medialen Eigenschaften Rilkes usw. sind vielleicht etwas überbetont, aber ich hab’es trotzdem gern auch ein zweites Mal gelesen.

h.
mmhberlin
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Re: Suche nach Rilkezitaten

Beitrag von mmhberlin »

Das klingt sehr verlockend und sehr interessant. Blinde Flecken verraten meist viel. Ich werde mir das Buch auch besorgen, um es in Ruhe zu lesen. Danke auch für die Zeilen zum Buch. M.
mmhberlin
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Suche nach weiteren Rilkezitaten

Beitrag von mmhberlin »

Liebe Rilke-Kenner,
ich habe noch einige offene Textstellen, für die ich den Fundort suche oder auch den genauen Wortlaut. Für Hilfe wäre ich wieder sehr dankbar. Marlene

Es handelt sich um

* In einem Brief an Clara, vom 4. Oktober 1907, seufzt Rilke, dass er sich gern als Antiquitätenhändler in Paris niederlassen würde: „Abends wäre Licht im Hinterzimmer, vorn alles dunkel, und wir würden zu dritt dort sitzen und essen, hinten; ich habe bemerkt, dass es, von der Straße her gesehen, immer wie ein Abendmahl aussieht, so großartig und festlich durch den dunklen Raum.“

* Rilke soll über ein Barockschloss der Familie Spork in Kukus (heute KUks) geschrieben haben, wie ihn der Gedanke an dieses Schloss erregt habe: „insoweit ich noch etwas von der noch anhängigen Sache verstehe, überließ ich mich bereits meiner Leidenschaft für Wagen- und Schlittenfahren, für hohe Zimmer und lange, weiße Gänge“.

* Brief an Clara vom 6. Oktober 1907, in dem er ein Herrenhaus in der Pariser Faubourg Saint-Germain beschreibt: „Das eine Tor sollte gerade geschlossen werden; ein Diener in Morgenlivree wandte sich noch einmal um und sah mich aufmerksam und nachdenklich an. Und im selben Augenblick schien mir, als ob einmal nur eine Kleinigkeit anders hätte sein müssen, damit er mich erkennen und zurückweichen würde und die Tür aufhielte.“

* In einem Brief an Clara vom 15. Februar 1906 erzählt Rilke, wie er im Winter den Pariser Tiergarten besuchte und es fast schmerzlich fand, dort die „rosa und roten Flamingos blühen zu sehen"

* H. Berendt, Rainer Maria Rilkes Neue Gedichte. Versuch einer Deutung, Bonn: Bouvier 1957.
Berendt soll über "Grabmal eines jungen Mädchens" geschrieben haben: „Aus dem Gedicht wird das Thema des Titels nicht wirklich klar“ und: " Das Gedicht endet mit dem vibrierend erotischen Bild des jungen Mannes“
sedna
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Re: Suche nach weiteren Rilkezitaten

Beitrag von sedna »

Etwas verspätet, Marlene,
habe ich nun Deine Fragen gefunden und gerne beantwortet:
mmhberlin hat geschrieben: * In einem Brief an Clara, vom 4. Oktober 1907
"Ach, wenn das genügte: ich wünschte manchmal mir so ein volles Schaufenster zu kaufen und mich mit einem Hund dahinterzusetzen für zwanzig Jahre. Am Abend wäre Licht in der Hinterstube, vorn alles ganz dunkel, und wir säßen zu dritt und äßen, hinten; ich habe bemerkt, von der Straße aus gesehen, nimmt sich das wie ein Abendmahl aus jedesmal, so groß und feierlich durch den dunkeln Raum."

Rainer Maria Rilke, Briefe aus den Jahren 1906-1907, Leipzig: Insel-Verlag 1930, S. 349.

mmhberlin hat geschrieben:* Rilke soll über ein Barockschloss der Familie Spork in Kukus (heute KUks) geschrieben haben
"Die Erwartung und Hoffnung in unserm Hause war groß, nicht allein versprach man sich von diesem Wechsel finanzielle und gesundheitliche Vorteile, das große Sporksche Barockschloß in Kukus war unbewohnt und wäre dem neuen Güterdirektor zugewiesen worden. Ich, soweit ich etwas von der schwebenden Angelegenheit begriff, ließ mich schon gehen in meiner Leidenschaft für Wagen- und Schlittenfahrten, für hohe Zimmer und lange weiße Gänge."

Rilke an Ruth Rilke, 1. März 1924 aus Muzot in: Ingeborg Schnack: Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes. Insel-Verlag 1975, S.11.

mmhberlin hat geschrieben:* Brief an Clara vom 6. Oktober 1907
"Das eine Tor war im Begriffe zuzugehen, ein Diener in Morgenlivree wandte sich noch einmal zurück und sah mich aufmerksam und nachdenklich an."

Rainer Maria Rilke, Briefe aus den Jahren 1906-1907, Leipzig: Insel-Verlag 1930, S. 354.

mmhberlin hat geschrieben:* In einem Brief an Clara vom 15. Februar 1906
"Aber dann traten wir wieder unter die Nachmittagshimmel, die winterlich waren, und in den Wind, der aus Schnee kam, und es war fast schmerzlich, in dieser Luft die rosa und roten Flamingos blühen zu sehen."

Rainer Maria Rilke, Briefe aus den Jahren 1902-1906, Leipzig: Insel-Verlag 1929, S. 300.

mmhberlin hat geschrieben:* Berendt soll über "Grabmal eines jungen Mädchens" geschrieben haben: „Aus dem Gedicht wird das Thema des Titels nicht wirklich klar“ und: " Das Gedicht endet mit dem vibrierend erotischen Bild des jungen Mannes“
"Das dem ganzen Gehalt nach dem Sappho-Alkaios-Gedicht eng verwandte Gedicht dürfte auch zur gleichen Zeit in Paris entstanden sein. Es gibt auf die Frage nach dem echten Gott noch weniger eine Antwort, es sei denn eben die des Titels, daß erst die Todespforte zu durchschreiten sei. Das Gedicht selbst läßt das Thema des Titels nicht voll deutlich werden, wie der Buddha in der Glorie.
[...]
Das Gedicht schließt mit dem vibrierend erotischen Bild des Jünglings."

Hans Berendt: Rainer Maria Rilkes Neue Gedichte. Versuch einer Deutung, Bonn: H. Bouvier 1957, S.77.


Herzlich grüßend

sedna
die ein ausbrechendes Lied in die Unsichtbarkeit wirft!
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