Rilke und Russland
Rilke und Russland
Hallo,
gibt es von Rilke auch Aussagen über Russland aus den 20er Jahren ?
Anna
gibt es von Rilke auch Aussagen über Russland aus den 20er Jahren ?
Anna
"anna blume... man kann dich auch von hinten lesen... du bist von hinten wie von vorne: "a-n-n-a." (kurt schwitters)
Re: Rilke und Russland
Liebe Anna B.
ich habe mal eben in der Rilke-Chronik nachgeschaut: einige Beispiele: Am 12.August 1920 schreibt Rilke an Nanny Wunderly-Volkart über das "was Bolschwism heißt"...
Vorher an die Fürstin Taxis am 23.Juli 1920 hofft er: "das unerschöpflich überstehende Element Rußlands sei schon an der Arbeit"...
13. Februar 1924 an Gertrud Ouckama Knoop ist er schon zögerlicher...
Aber sieh selbst, auch in der "Briefen zur Politik" wirst Du fündig werden!
Grüße! Renée
ich habe mal eben in der Rilke-Chronik nachgeschaut: einige Beispiele: Am 12.August 1920 schreibt Rilke an Nanny Wunderly-Volkart über das "was Bolschwism heißt"...
Vorher an die Fürstin Taxis am 23.Juli 1920 hofft er: "das unerschöpflich überstehende Element Rußlands sei schon an der Arbeit"...
13. Februar 1924 an Gertrud Ouckama Knoop ist er schon zögerlicher...
Aber sieh selbst, auch in der "Briefen zur Politik" wirst Du fündig werden!
Grüße! Renée
- lilaloufan
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Re: Rilke und Russland
«Russland: dieses „лик богородицы*“,», sagt er da, «ja, auch da: mögen die, die seinen Aufstieg gewahren, nicht zu früh zurücktreten, sondern sparen, sparen damit, es verheimlichen und verstellen, bis sein Glanz reif und die Zeit hinfällig geworden ist! Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass der Abschnitt, den wir im Kriege sehen müssen, neue Anfänge erleichtert, aber man zittert um sie, dass sie sich zu früh zeigen und den Ausnutzern in die Hände fallen könnten. Erst müssten die Tage der profiteurs vorüber sein.»
Immerhin: „*Antlitz der Gottesgebärerin“, diesen Bildbegriff aus der Orthodoxie, der auch bei Николай Семёнович Лесков vorkommt, ruft er hier auf, wiewohl sorgenvoll zukunftshoffend auf das Russland von 1924 blickend.
In dem neulich hier zitierten Brief an Ilse Jahr (22. Februar 1923) blickt er eher wehmütig zurück: «vielleicht auch wendest Du Dich gar nicht so sehr an den, der ich bin; vielleicht redest Du den an und jubelst mit dem, der ich vor zwanzig Jahren war, als ich jene Bücher schrieb, die Dir die nächsten wurden, unmittelbar Deine, so dass Du durch sie zuerst zum Menschen, zum Menschlich-Brüderlichen hin offen und flutend wurdest. (…das, dieser Anschluss an die menschliche Nachbarschaft und Nähe, widerfuhr auch mir erst sehr spät, und wäre mir ohne gewisse Zeiten in meiner Jugend, die ich in Russland verlebte, wohl kaum je so rein und so vollkommen vergönnt gewesen, wie man ihn doch muss erfahren dürfen, um ohne falsche Nieten ins Ganze, ins Herrliche des Lebens eingelassen zu sein.» Und dann folgt das erwähnte Zitat, in dem er ja sagt: «Dann aber tat sich mir Russland auf und schenkte mir die Brüderlichkeit und das Dunkel Gottes (Hervorh. l.), in dem allein Gemeinschaft ist.» (Die Klammer wird übrigens nicht geschlossen.)
Gruß,
l.
Immerhin: „*Antlitz der Gottesgebärerin“, diesen Bildbegriff aus der Orthodoxie, der auch bei Николай Семёнович Лесков vorkommt, ruft er hier auf, wiewohl sorgenvoll zukunftshoffend auf das Russland von 1924 blickend.
In dem neulich hier zitierten Brief an Ilse Jahr (22. Februar 1923) blickt er eher wehmütig zurück: «vielleicht auch wendest Du Dich gar nicht so sehr an den, der ich bin; vielleicht redest Du den an und jubelst mit dem, der ich vor zwanzig Jahren war, als ich jene Bücher schrieb, die Dir die nächsten wurden, unmittelbar Deine, so dass Du durch sie zuerst zum Menschen, zum Menschlich-Brüderlichen hin offen und flutend wurdest. (…das, dieser Anschluss an die menschliche Nachbarschaft und Nähe, widerfuhr auch mir erst sehr spät, und wäre mir ohne gewisse Zeiten in meiner Jugend, die ich in Russland verlebte, wohl kaum je so rein und so vollkommen vergönnt gewesen, wie man ihn doch muss erfahren dürfen, um ohne falsche Nieten ins Ganze, ins Herrliche des Lebens eingelassen zu sein.» Und dann folgt das erwähnte Zitat, in dem er ja sagt: «Dann aber tat sich mir Russland auf und schenkte mir die Brüderlichkeit und das Dunkel Gottes (Hervorh. l.), in dem allein Gemeinschaft ist.» (Die Klammer wird übrigens nicht geschlossen.)
Gruß,
l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Re: Rilke und Russland
Hallo,
gibt es irgendwelche Aussagen, Anhaltspunkte Rilkes, warum er sich in die Schweiz und nicht nach Russland zurückzieht ? Warum geht er nach Muzot und nicht zb nach St. Petersburg ? Vielleicht ist das eine ketzerische Frage, nachdem ihn Heinrich Vogeler am liebsten auch in Russland gesehen hätte, aber interessiert mich trotzdem
Paul
gibt es irgendwelche Aussagen, Anhaltspunkte Rilkes, warum er sich in die Schweiz und nicht nach Russland zurückzieht ? Warum geht er nach Muzot und nicht zb nach St. Petersburg ? Vielleicht ist das eine ketzerische Frage, nachdem ihn Heinrich Vogeler am liebsten auch in Russland gesehen hätte, aber interessiert mich trotzdem
Paul
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
Re: Rilke und Russland
Also mal ganz laienhaft: ich denke nicht, dass im revolutionären Russland Platz für einen Paradiesvogel wie Rilke gewesen wäre! Seine Werke passen ja nicht gerade zu einer Revolution. Die Adligen und viele Intelektuelle mussten Russland damals verlassen oder taten es freiwillig, ich denke nicht, dass Rilke an ihre Stelle gepasst hätte. Mit Verlaub: die Frage scheint mir naiv.
Gruß
gliwi
Gruß
gliwi
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
- lilaloufan
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Re: Rilke und Russland
Ein Hinweis: Aufsatz von Ilja Karenovics im Jahrbuch Schöne Wissenschaften Band II: Rilkes Russlanderlebnis. Ein Lese-Erlebnis der ganze Band!
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Re: Rilke und Russland
Hallo,
was mich interessieren würde: hat Rilke seinen Rückzug zu diesem Zeitpunkt als Flucht aus Deutschland verstanden ? Er war ja zuvor auch schon öfter im Ausland, sowohl in Russland wie in der Schweiz und Italien.
Sabine
was mich interessieren würde: hat Rilke seinen Rückzug zu diesem Zeitpunkt als Flucht aus Deutschland verstanden ? Er war ja zuvor auch schon öfter im Ausland, sowohl in Russland wie in der Schweiz und Italien.
Sabine
"Ich lerne sehen.... " (Rainer Maria Rilke)
- lilaloufan
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Re: Rilke und Russland
Flucht wohl weniger; ich denke eher an eine Art "Vertrieben"-Sein. Kann's aber nicht belegen.
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Re: Rilke und Russland
Er war noch in viel mehr Ländern! Es gibt kaum ein europäisches Land, wo er nicht war, und ich meine, er war auch in Nordafrika. Wovor hätte er flüchten sollen? Ich denke, er war interessiert daran, viele verschiedene Eindrücke zu sammeln, Anregungen aufzunehmen. Einer wie er ist nicht "Tscheche" oder "Deutscher", sondern Weltbürger.
Gruß
gliwi
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gliwi
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- lilaloufan
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Re: Rilke und Russland
Ja genau, da kann ich nur zustimmen - und so ein Kosmopolit findet freilich gerade in einer solchen „Tout-l’Europe-en-miniature-Welt“ wie dem Valais, wo «die Begabungen und Verwandtschaften durch die Länder getragen» werden, «Perspektiven», die «mit einer so geistigen Luft» «beseelt» sind, «dass das besondere Zueinanderstehen der Dinge (…) zu gewissen Stunden jene Spannung aufzuweisen scheint, die wir zwischen den Sternen eines Sternbildes wahrzunehmen meinen.» So schreibt Rilke am Vorabend seines Umzugs nach Muzot an die Fürstin (25.VII.1921) und setzt hinzu: «Das ["einen Wohnversuch in (…) etwas harten Burgverhältnissen, die sich einem anlegen wie eine Rüstung“] musste ich nun doch, nicht wahr?, so wie alles gekommen ist.» Dann beschreibt er das Anwesen sehr detailliert und auch dessen Geschichte und die Sagen, die sich darum rankten, und schließt die Erzählung mit der Bemerkung: «Meine Hauptsorge ist, mir für den Winter, d. h. schon für den Herbst, zu stiller Abgeschlossenheit und Arbeit, eine Art „Berg“ zu finden! Nun soll sich erweisen, ob Muzot die Eigenschaften hätte, das zu werden und zu bleiben für die nächste Zeit. (…) Wenn die Schweiz noch einmal eine ganz passende Winterzuflucht [Hervorh. l.] böte, so dass ich diese noch nicht auswärts suchen müsste, würde ich allerdings möglicherweise gar nicht hinausreisen, denn die Zeit wird dann kurz, und ich möchte die herbstliche Klausur, dass sie langsam in einen langen Winter überleite, so frühe als möglich antreten.»
Daher meinte ich, ein "Zuflucht Suchender" angesichts «von vielem Schwerem» - wie er dann noch andeutet - ist er schon, aber ein „Flüchtling“ nicht.
Daher meinte ich, ein "Zuflucht Suchender" angesichts «von vielem Schwerem» - wie er dann noch andeutet - ist er schon, aber ein „Flüchtling“ nicht.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«