Auffassung von Kunst

Rilke-Texte gesucht und gefunden

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stoney
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Auffassung von Kunst

Beitrag von stoney »

Hallo!

Es wäre echt total toll, wenn mir jemand weiterhelfen könnte.
Ich habe vor ein paar Tagen auf einem Radiosender ein Zitat von Rilke gehört, dass sich auf die Auffassung von Kunst bezog. Er sprach da von Künstlern, die im Gegensatz zu den Weisen, Rätsel nicht versuchen zu lösen, sondern sie lieben. Und danach erstellte er noch einen Zusammenhang zwischen Rätsel und Liebe.
Ich weiß nur, dass dieses Zitat aus einem Aufsatz sein soll. Ich habe allerdings schon erfolglos gegooglet. Vielleicht könnte mir hier einer weiter helfen? Das wäre echt super, denn ich fand das Zitat sehr schön!

LG, stoney
stilz
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Wohnort: Klosterneuburg

Beitrag von stilz »

Hallo stoney,

ich kenne diesen Aufsatz Rilkes leider auch nicht... aber mir fällt natürlich sofort folgende oft zitierte Stelle ein aus dem Brief an Franz Xaver Kappus, vom 16. Juli 1903 (hier unter "Briefe" findest Du den vollständigen Brief "an einen jungen Dichter", und in diesen Briefen steht auch sonst noch viel über "Kunstauffassung"):

Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.
Vielleicht kannst Du damit was anfangen?

Lieben Gruß

Ingrid
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
stoney
Beiträge: 2
Registriert: 10. Mär 2007, 13:15

Beitrag von stoney »

Hey Ingrid!

Leider trifft dein Zitat nicht auf das zu, was ich herausfinden wollte, aber trotzdem danke für deine Antwort :!:

Falls du doch jemand wissen sollte, welchen Aufsatz ich meine, lasst es mich bitte wissen!

LG, stoney
helle
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Beitrag von helle »

Vielleicht handelt es sich nicht um einen Aufsatz, sondern um einen Brief Rilkes, der auch nicht in erster Linie von der Kunst, sondern von Rilkes spiritistischen Erfahrungen handelt. Aber ich bin natürlich nicht sicher. Rilke schreibt am 11. August 1924 aus Muzot an Nora Purtscher-Wydenbruck:

"Im Übrigen gehört zu den ursprünglichen Neigungen meiner Anlage, das Geheime als solches aufzunehmen, nicht als ein zu Entlarvendes, sondern als das Geheimnis, das so bis in sein Innerstes, und überall, geheim ist, wie ein Stück Zucker an jeder Stelle Zucker ist. Möglicherweise, so aufgefaßt, löst es sich unter Umständen in unserem Dasein oder in unserer Liebe, während wir sonst nur eine mechanische Zerkleinerung des Geheimsten erreichen, ohne daß es eigentlich in uns überginge."

Gruß h.
sedna
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Re: Auffassung von Kunst

Beitrag von sedna »

Hallo zusammen,

eine andere Frage erinnernd, habe ich das Folgende nochmal recherchiert, es entstammt Rilkes Worpswede:

Maeterlinck, in seinem wundervollen Buche von den Bienen, sagt an einer Stelle : “Es gibt noch keine Wahrheit, aber es gibt überall drei gute Wahrscheinlichkeiten. Jeder wählt sich eine davon aus, oder besser, sie wählt ihn, und diese Wahl, die er trifft, oder die ihn trifft, geschieht oft ganz instinktiv. Er hält sich fortan an sie und sie bestimmt Form und Inhalt aller Dinge, die auf ihn eindringen.“ Und nun werden an einem Beispiel, an einer Gruppe Bauern, welche am Saum einer Ebene Getreideschober türmen, die drei Wahrscheinlichkeiten gezeigt. Es ergibt sich die kurzsichtige Wahrscheinlichkeit des Romantikers, der verschönt, indem er schaut, die unerbittliche grausame Wahrscheinlichkeit des Realisten und endlich die stille, tiefe, unerforschten Zusammenhängen vertrauende Wahrscheinlichkeit des Weisen, welche vielleicht der Wahrheit am nächsten kommt. Nicht weit von dieser Wahrscheinlichkeit liegt die naive Wahrscheinlichkeit des Künstlers. Indem er die Menschen zu den Dingen stellt, erhebt er sie: denn er ist der Freund, der Vertraute, der Dichter der Dinge. Die Menschen werden nicht besser oder edler dabei, aber, um nochmals Maeterlincks Worte zu gebrauchen:“ Der Fortschritt ist nicht unbedingt erforderlich, damit das Schauspiel uns begeistert. Das Rätsel genügt ...“ Und in diesem Sinne scheint der Künstler noch über dem Weisen zu stehen. Wo dieser bestrebt ist, Rätsel zu lösen, da hat der Künstler eine noch bei Weitem größere Aufgabe oder, wenn man will, ein noch größeres Recht. Des Künstlers ist es, das Rätsel zu – lieben. Das ist alle Kunst: Liebe, die sich über Rätsel ergossen hat, – und das sind alle Kunstwerke: Rätsel, umgeben, geschmückt, überschüttet von Liebe.
Und da lagen nun vor den jungen Leuten, die gekommen waren, um sich zu finden, die vielen Rätsel dieses Landes. Die Birkenbäume, die Moorhütten, die Heideflächen, die Menschen, die Abende und die Tage, von denen nicht zwei einander gleich sind, und in denen auch nicht zwei Stunden sind, die man verwechseln könnte. Und da gingen sie nun daran, diese Rätsel zu lieben.


Herzlich grüßend

sedna
die ein ausbrechendes Lied in die Unsichtbarkeit wirft!
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